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SWR2 - Tagesgespräch | 13.09.2001

Wirtschaftliche Folgen der Terroranschläge in den USA
»Das Risiko einer Rezession ist gestiegen«
Claus Heinrich im Gespräch mit Rüdiger Pohl, Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle

Rüdiger Pohl

Das Risiko einer weltweiten Wirtschaftsrezession ist durch die Unsicherheit der Anleger und Konsumenten gestiegen, meint der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Rüdiger Pohl. Doch hält er die amerikanische Wirtschaft für so stabil, dass sie die Folgen der Terroranschläge ohne weitreichende Rückschläge verkraften wird. Die amerikanische Wirtschaft sei im Grunde kerngesund.

Bundesfinanzminiser Eichel rechnet mit geringen Auswirkungen der Anschläge auf die amerikanische und damit auch auf die weltweite Konjunktur. Verbreitet da jemand Zweckoptimismus?

Rüdiger Pohl: Ja, so ein bißchen ist schon dabei. Also eines muss man ja sagen, das Risiko einer Rezession ist schon gestiegen, denn die Finanzmärkte sind verunsichert, die Anleger sind verunsichert und dass alles in einer Zeit, wo die Weltwirtschaft ohnehin sehr labil ist. Trotzdem gehöre ich auch zu denen, die jetzt also vor Panikmache warnen, denn man muss ja mal sehen, was hier passiert ist. Hier ist ja sozusagen ein Problem aufgetaucht, das Problem des internationalen Terrorismus. Aber die amerikanische Wirtschaft, die jetzt da im Gespräch ist, ist natürlich eine im Grunde genommen gesunde Wirtschaft und das wird sich durchsetzen.

Aber sie leidet ja auch unter einem gewissen Konjunktureinbruch. Wird dieser Konjunktureinbruch jetzt länger anhalten?

Also da ist natürlich genau die heikle Frage. Die Amerikaner haben jetzt eine Schwäche und das einzige, was dort noch gut läuft, sind die Konsumausgaben. Der Verbraucher gibt aus. Und das stützt die Konjunktur. Und das ist jetzt genau die heikle Frage. Wenn der Verbraucher so verunsichert wird, dass er sagt, jetzt sinken vielleicht noch die Aktienkurse und geht mir das Vermögen flöten. Oder möglicherweise steigen auch die Rohölpreise und dann habe ich eine höhere Rechnung an der Seite. Und wenn dieser Verbraucher dann die Tasche zumacht, dann allerdings ist wahrscheinlich gegen die Rezession kein Kraut mehr gewachsen. Und insofern kommt es jetzt wirklich darauf an, wie der amerikanische Konsument auf diese ganzen Dinge reagiert.

Wie groß ist denn die Chance, dass der Rohölpreis nicht steigt. Die OPEC hat ja gesagt, wir wollen das nicht tun?

Es liegt ja auch nicht in ihrem Interesse. Also man kann natürlich sagen, in einer solchen verunsicherten Zeit gibt es Hortungskäufe, die die Preise nach oben treiben. Aber die OPEC muss natürlich auch sehen, dass sie kein Interesse hat an kurzfristigen Preissteigerungen, die möglicherweise dann die Weltwirtschaft in die Rezession treiben. Denn das ist dann auch kein Markt, an dem die OPEC gut weitermachen kann.

Wie sehen Sie die Gefahren für den Dollar-Kurs?

Ja, beim Dollar-Kurs haben wir ja, sage ich mal, erst mal den Schock gehabt. Das ist ganz klar, das ist die Panikreaktion. Aber wenn mein Gesamtbild richtig ist und ich bin davon überzeugt, dass die amerikanische Wirtschaft im Kern gesund ist und auch durch diesen Terroranschlag - der ja praktisch nicht nur ein Anschlag gegen Amerika ist sondern gegen die gesamte Welt - nicht demoliert wird, dann sollte der Dollar also von hier aus auf die Dauer nicht unter Druck geraten.

Der Druck auf den Dollar, das war natürlich für den Euro erst mal gut. Der Euro-Kurs ist kurzfristig gestiegen. Kann denn die Europäische Zentralbank was tun?

Man muss jetzt hier verschiedene Dinge unterscheiden. Natürlich ist immer weiße Salbe gut, wenn es irgendwo schmerzt. Man muss natürlich sehen, eine Zinssenkung ist jetzt gar nicht zu machen. Denn wenn die Leute wirklich in die Panik kommen, dann hilft natürlich auch eine Zinssenkung nicht.

Aber es gibt natürlich ein paar andere Sachen. Wenn sich kurzfristig Liquidität verknappt, weil die Leute sagen, wir halten jetzt erst mal unser Geld in der Kasse und von daher dann Liquiditäts-Engpässe auftreten, dann muss natürlich die Zentralbank hier kurzfristig Überbrückungshilfen leisten. Das macht die Europäische Zentralbank ja auch. Auch die anderen Zentralbanken machen das. Die verhindern also sozusagen eine Ausbreitung des Flächenbrandes. Aber die Ursache des Problems, da kommen sie natürlich mit der Geldpolitik nicht ran.

Kommen wir mal zu den Börsen. Die haben natürlich Jo-Jo gespielt nach den Ereignissen. Was wird denn passieren, wenn die amerikanischen Börsen wieder öffnen?

Das hängt da sehr davon ab, wie die Verbraucher es sehen. Also internationale Anleger, wenn die jetzt das Gefühl bekämen, durch diesen Terror-Anschlag zeigt sich, die amerikanische Wirtschaft ist verletzlich und wird nicht mehr auf die Beine kommen, dann zieht sich das Kapital zurück und dann werden sie bei den Börsen ein Desaster erleben. Nur, wenn sie sich jetzt mal alle anschauen, da muss man doch mal sagen, Japan in der Rezession, Europa in so ner mittleren Position, aber Amerika ist im Grunde kerngesund. Sie hatten ein Konjunkturproblem aber kein Strukturproblem. Von daher sehe ich auch keinen Grund, dass internationales Kapital die Flucht ergreift und denke von daher wird diese Berg- und Talfahrt vielleicht ein bißchen weitergehen, aber dann doch wieder in ruhigere vernünftige Bahnen kommen.

Und die Politik, soll sie mit ruhiger Hand erst mal abwarten?

Na ja, ruhige Hand heißt ja auch, die Hand in den Schoß legen. Aber was kann man jetzt machen. Also man muss einfach sehen, dass dieser Schock ja auch eine internationale Solidarität ausgelöst hat. Das ist ja kein Problem Amerikas alleine, sondern die Länder stehen jetzt zusammen und sehen: Das Hauptproblem ist eigentlich die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Das ist die Politikaufgabe.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen, die stehen hier gar nicht so sehr im Vordergrund und ich warne auch davor, jetzt aus der Situation heraus irgendetwas zu machen. Denn die Frage ist, was können wir denn Vernünftiges machen. Also wenn die Panik da ist, dann können sie eigentlich nur beruhigend auf die Leute einreden. Wenn aber man aber nach ein paar Tagen wieder merkt, das Terrorismus-Problem bleibt, aber das amerikanische Wirtschaftsproblem ist eigentlich gar keines, dann sind auch Maßnahmen gar nicht so richtig erforderlich.

Ich komme noch mal auf den Anfang unseres Gespräches zurück. Dann hat Hans Eichel mit seiner Parole »Ruhe bewahren« ja doch recht?

In der Erwartung sehe ich das auch so. Aber wissen Sie, man muss natürlich immer die Frage stellen, erwarten wir jetzt eine konjunkturelle Belebung. Die Frage ist jetzt natürlich, wird diese unwahrscheinlicher oder wird sie wahrscheinlicher. Also wahrscheinlicher ist sie nun gerade nicht geworden, eher vielleicht noch ein bißchen unwahrscheinlicher. Aber im Kern denke ich auch, wir sollten die nächsten drei, vier Tage abwarten und dann werden wir sehen, dass auch bei den Anlegern wieder der Eindruck entsteht, es ist nicht Amerika als Wirtschaft getroffen, es ist die freie Welt getroffen.


 Zuletzt im Interview:


Konrad Freiberg zur Inneren Sicherheit
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