Organische Bodenkolloide


Lernziele

 


 

  

 

Wieviel Humus gibt es auf der Welt?

 

Theng, B.K.G. 1987. Clay-humic interactions and soil aggregate stability. In Rengasamy, P. (ed.) Soil Structure and Aggregate Stability. Institute of Irrigation and Salinity Research, Tatura, pp. 32-73.


 Der Kolloidbegriff

Allgemein: Kolloidale Systeme bestehen aus einer dispersen = verteilten Phase und einem Dispersionsmedium.

Kolloidale Eigenschaften treten auf, wenn die Teilchengröße der dispergierten Phase zwischen 1 und 1000 nm liegt.

Die geringe Teilchengröße führt zu einem hohen Oberflächen/Volumen - Verhältnis. Damit wird das Verhalten der Flüssigkeit von den elektrostatischen Eigenschaften der Parikeloberflächen bestimmt.

 

Der Humusbegriff

Hier: Die Gesamtheit des durch den Prozesskomplex der Humifizierung thermodynamisch stabilisierten Kohlenstoffes

 


Prozesse der Humusbildung (Humifizierung)

 

1. Abbau der toten organischen Substanz, einschließlich Lignin, in einfachere organische Grundbestandteile

2. Einschleusung dieser einfacheren Grundbestandteile in den Metabolismus von Mikroorganismen

3. Übergang von C, H, N, und O aus der organischen Substanz in die mikrobielle Biomasse

4. Von den Mikroben durchgeführte Polymerisation der Grundbausteine in größere Moleküle

 


Huminstoffe

(nach der Funktion definiert)

Alle Humusbestandteile, die nicht mit der Absicht synthetisiert wurden, als Nahrungs- oder Strukturbestandteil der Bodenlebewesen zu dienen.

Theng, B.K.G. 1987. Clay-humic interactions and soil aggregate stability. In Rengasamy, P. (ed.) Soil Structure and Aggregate Stability. Institute of Irrigation and Salinity Research, Tatura, pp. 32-73.


Eigenschaften der Endprodukte

- Signifikant veränderte Struktur gegenüber Ausgangsprodukten
- biologisch refraktär = thermodynamisch stabilisiert = schlechter geeignet als Nahrungsquelle = längere Verweilzeit im Boden

"Das Gerüst von Huminstoffen besteht aus aromatischen Ringen, die durch langkettige Alkyl-Strukturen zu einem flexiblen Netzwerk verknüpft sind"

Schulten, H.-R., Plage, B. and M. Schnitzer. 1991. A chemical structure for humic substances. Naturwissenschaften 78:311-312.

 

 

Humus - Substanz, zusammengesetzt aus einem Hexapeptid, einem Trisaccharid und 12 Wassermolekülen

Molekulargewicht 7760 g mol-1 (959 Atome)

A

Weiß: H; cyan: C; rot: O; blau: N; gelb: S

   

Huminsäuremodell, zusammengesetzt aus 22 Huminstoffeinheiten

Molekulargewicht 124000 g mol-1 (16674 Atome)

B

Schulten, H.-R. and P. Leinweber. 2000. New insights into organic-mineral particles: composition, properties and models of molecular structure. Biol Fertil Soils 30

 

Die klassische Aufteilung nach der Löslichkeit:

Organische Substanz wird mit 0.5 M NaOH versetzt. Der Anteil, der durch diese Behandlung nicht gelöst werden kann, heißt Huminstoffe.

Der laugelösliche Anteil wird mit konzentrierter HCl auf pH 1 angesäuert.

Der Anteil, der durch diese Behandlung ausflockt, heißt Huminsäuren, während das was weiter in Lösung bleibt, Fulvosäure genannt wird.

Die durchschnittliche stöchiometrische Zusammensetzung dieser beiden Fraktionen lautet:

 

Stoff

Formel

C/H/O/N

C/N--

lebende Pflanze

C106H263O110N16P

1/2.5/1.0/0.15

6,6

Huminsäure

C187H186O89N9S

1/1.0/0.5/0.05

21,0

Fulvosäure

C135H182O95N5S2

1/1.4/0.7/0.04

27,0

A

C349H401N26O173S

1/1.1/0.5/0.07

13,4

B

C6932H7662O1970N110

1/1.1/0.3/0.02

63,0

Glukose

C6H12O6

1/2/1/-

--

nach Angaben aus Sposito, 1998 Bodenchemie, Enke, Stuttgart

 


allgemeine Trends:

- generell mehr C und weniger O in Humin- als in Fulvosäuren

- Huminsäuren größere Molekülmassen als Fulvosäuren (üblicherweise unter 2000)

- Huminsäuren stärker polymerisiert als Fulvosäuren, in einem weiter fortgeschrittenen Stadium der Humifizierung

- Huminsäuren und Fulvosäuren sind (im Vergleich mit der Gesamtheit der organischen Substanz im Boden) an Stickstoff verarmt, aber an Schwefel angereichert

- im Gegensatz zu lebenden Organismen an H und N verarmt, aber an C angereichert

- der geringere Stickstoffgehalt bedeutet eine geringere Attraktivität für Mikroorganismen, daher eine geringere Wahrscheinlichkeit, mineralisiert zu werden

- die Verarmung an H deutet auf eine größere Menge ungesättigter C=C Bindungen in den Humin- und Fulvosäuren hin. Dies erklärt sich aus einem erhöhten Anteil an aromatischen Komponenten, die wiederum stabil gegen mikrobielle Angriffe sind

- Fulvosäuren haben größere funktionelle Azidität als Huminsäuren

- Fulvosäuren enthalten mehr Carboxylgruppen als Huminsäuren

- funktionelle Azidität = Summe der COOH und phenolischen OH (Aromat + OH)


Organische Substanz: Funktionelle Gruppen

funktionelle Gruppe

Strukturformel


carboxyl

- COOH          


carbonyl

- CO                 


amino

- NH2                 


imidazol

arom. Ring-NH


phenolisch

arom. Ring - OH                                    


alkoholisch

-OH                                                    


sulfhydryl

-SH                                                


Biophysikalische Grundeigenschaften:

a) Polyfunktionalität, eine Vielzahl funtioneller Gruppen und ein weiter Bereich chemischer Reaktivität dieser Gruppen

b) Makromolekulare Ladung: anionischer Charakter des Gesamtmoleküles, mit entsprechenden Folgen für die Reaktivität der funktionellen Gruppen und die räumliche Anordnung des Moleküles

c) Hydrophilie: Tendenz, über polare funktionelle Gruppen wie COOH und OH mit Wasser starke Wasserstoffbrückenbindungen einzugehen

d) strukturelle Labilität: die Fähigkeit, auf Änderungen in pH, Redoxbedingungen, Elektrolytkonzentration und Belegung der funktionellen Gruppen mit Änderungen der Gestalt und der intermolekularen Vernetzung zu reagieren

 


 

Die wichtigste Funktion organischer Bodenkolloide

Strukturbildend (Mörtel), baut Aggregate auf

Theng, B.K.G. 1987. Clay-humic interactions and soil aggregate stability. In Rengasamy, P. (ed.) Soil Structure and Aggregate Stability. Institute of Irrigation and Salinity Research, Tatura, pp. 32-73.


Verschieden große Aggregate enthalten unterschiedliche Arten organischer Substanz

 

Baldock, J. A. and J. O. Skjemstad. 2000. Role of the soil matrix and minerals in protecting natural organic materials against biological attack. Organic Geochemistry 31:697-710.



 Mechanismen der Kopplung

Zur Veranschaulichung:

=

 

+

Durch Polysaccharidketten zusammengehaltene Kaolinitplättchen

Tessier, D., and C. Chenu. 1997. Importance of clay fabrics in soils, an approach by electron microscopy. Geologica Carpathica - Series Clays, 6: 35-45.

 

idealisiertes Kaolinitplättchen mit negativer Flächen- und positiver Kantenladung

Aus Everett, 1999, Colloid Science, Royal Chemical Society Paperbacks

 

TEM-Aufnahme Huminsäure;

 

Aus Senesi und Miano 1994 Humic Substances, Elsevier

 


Mechanismen der Kopplung

(stark angelehnt an Sposito, Bodenchemie, Enke, Stuttgart)

 

Mechnismus

funktionelle Gruppen

Ablauf

Kationenaustausch

 

 

Amino-N
Ring-NH, hetero-zyklisches N (Austausch Kation gegen funktionelle Gruppe)

[Humus-NH2]+ [Ton-Na+]

ergibt

[Humus-NH3+Ton-] + Na+

Protonierung

Carboxyl, carbonyl, Amino, hetero-zyklisches N

Anlagerung von einem Proton in einem sauren Wassermolekül, das ein zweiwertiges Metallkation solvatisiert, an eine funktionelle Gruppe

Anionen-austausch

 

 

Carboxyl

verbreitet in Böden mit hohem Anteil von Oxiden und Kaolinit/Gibbsit

[Humus-COO-]+[TonOH2+NO3-]

ergibt

[Humus-COO-TonOH2+] + NO3-

Wasserstoff-brückenbindung

Amino, Carbonyl, Carboxyl, phenolisches OH

Für die Ton-Humuskopplung von untergeordneter Bedeutung, da Elektronegativität der O-Atome auf den Mineraloberflächen nicht groß genug, um starke Wasserstoffbrücken auszubilden

Kationen-Brücke

Carboxyl, Amine, Carbonyl, alkoholisches OH



Ton-+Ca+-Humus

 

 

Mechnismus

funktionelle Gruppen

Ablauf

van der Waals-Kräfte

ungeladene organische Einheiten,

tritt besonders dann auf, wenn die Boden - pH Bedingungen die Ionisierung der funktionellen Säuregruppen

unterdrücken

Alle Atome und Moleküle üben eine sehr schwache Anziehungskraft geringer Reichweite aufeinander aus, die als van-der-Waals-Anziehung bezeichnet wird. Wenn sich zwei Atome einander sehr stark annähern, beginnen sich die Elektronenwolken zu überlappen. Dadurch wird ein "induzierter Dipol" erzeugt". Ein Elektron "drückt" das andere auf die gegenüberliegende Seite des Atoms, dadurch entsteht ein kurzfristiges Elektronendefizit, und somit eine leichte positive Überschussladung, die wiederum die (negative) Ladung des ersten Elektrones anziehen kann.

Diese Situation oszilliert hin- und her, und bewirkt insgesamt eine sehr kleine Anziehungskraft in der Größe von ~ 1 kcal/mol

Ligandenaustausch

Ligand: Bez. für elektrisch neutrale Moleküle oder negativ geladene Ionen, die um ein Zentralatom gruppiert sind und deren Anzahl von der Koordinationszahl des Zentralatoms bzw. -ions abhängt.

carboxyl

bezieht sich spezifisch auf die Bildung von Bindungen zwischen einer carboxylgruppe und entweder Al(III) oder Fe(III) an einer Oberfläche mit Hydroxyl Gruppen (OH)

Bindungsstärke größer als beim Anionenaustausch, bei Wasserstoffbrücken und bei Kationenbrücken und viel größer als bei van der Waals - Bindungen.

Ligandenaustausch ist bei niedrigem pH begünstigt: (M = Fe oder Al)

 

 

hydrophobe Wechselwirkung

unpolare (hydrophobe)

Oberflächen

bereits existierende organo-Ton Verbindungen können über diesen Mechanismus erneut unpolare organische Substanz anlagern